Schmunzeln statt fürchten – ein guter Deal.
Im Ottakringer Wald begegnet mir dann der kleine Graf Dracula samt Gefolgschaft. Brav führt er seinen Hund an der Leine. Der Vierbeiner trägt ein Vampir-Mäntelchen mit Flügel. Am Halsband baumelt ein kleiner Kürbis.
Wieder schmunzeln.
Plötzlich springt mich der Vampir an – Dracula reagiert blitzschnell: „Fuß Lenny“, zischt er und pfeift seinen
Jack Russell zurück. Der Bub sieht mich mit blutunterlaufenen Augen an und sagt: „Sorry wir waren noch nicht in der Vampirschule“.
„Kein Problem“, antworte ich mit einem Augenzwinkern, „ich habe mich nur erschreckt, weil ihr so gruselig ausseht.“
“Echt? Urcool!“ Dracula freut sich und spricht blutrünstig weiter: „Lenny wollte unbedingt verkleidet Gassi gehen und jetzt müssen wir schnell zu unserer Halloweenparty.“
Die Mutter eilt herbei und bleibt demonstrativ zwei Meter vor mir stehen: „Wir treffen uns natürlich nur im Internet mit anderen“, sagt sie leicht nervös. „Die Kinder sind schon ganz aufgeregt.“
Ein bisschen klingt es wie eine Rechtfertigung, so als wolle sie nicht, dass irgendjemand denkt, es wäre etwas Verbotenes geplant. Party ohne Abstand zum Beispiel – und das am Tag, an dem der zweite Lockdown in Österreich offiziell verkündet wird.
Am Heimweg komme ich am Ottakringer Friedhof vorbei.
Der Himmel ist noch immer grau, auf den Gräbern sitzen jede Menge Krähen. Ich denke an den Hitchcock-Klassiker „die Vögel“ während es langsam zu dämmern beginnt. Weder lautes Gekreische noch Skelett oder Dracula sorgen 2020 für Gruselstimmung – es ist die Angst vor Viren, Begleiterscheinungen und dem Vernadert werden, auch wenn man gar nichts gemacht hat.
Fürchten statt schmunzeln – kein guter Deal.
Wien, 31.10.2020