Kuchen oder Tagessuppe? Diese Entscheidung war bei unserem ersten Besuch in der Vollpension im 4. Wiener Gemeindebezirk schnell gefällt. Nach einem netten Plausch mit Oma Susanne ist schnell klar: Beides muss auf den Tisch. Dann gehts ab aufs gemütliche Sofa, wo das (Stoff-)Kätzchen schon darauf wartet, gestreichelt zu werden. Da lässt man sich natürlich nicht lange bitten.
Heidi, ihre Mutter und ich sitzen bei hausgemachtem Kuchen und Kaffee – natürlich mit einer ordentlichen Portion Schlagobers. So wie früher bei Oma und Opa, wenn am Sonntag die Großfamilie zusammengekommen ist und der Kuchen mit dem Obst aus dem eigenen Garten am Tisch verteilt wurde. Meine Oma Resi kannte unfassbar viele Kuchen- und Tortenrezepte und alle waren sie grandios.
In der Vollpension wird genau dieser Wissensschatz der älteren Generation genutzt.
Motto: „Gemeinsam back ma das“
Täglich frische Mehlspeisen zum Verputzen im Lokal, zum Mitnehmen oder auch zum Selbermachen. Dafür gibt es eigene Back-Omas und Opas, die jeden Tag die Köstlichkeiten zaubern und ihre Freude am Backen gemeinsam ausleben. Nicht einmal Corona konnte die VollpensionistInnen aufhalten. Klar musste auch das Generationen-Café in der Nähe des Wiener Naschmarktes während der Lockdowns schließen. Kopf in den Sand stecken, kam aber nicht infrage und so hat man sich kurzerhand neu erfunden.
Die Vollpension Backademie wurde geboren und sie lebt weiter – Pandemie hin oder her. Mittels Online-Abo können alle, die wollen, bei Live-Backkursen oder Video on demand, selber lernen, wie es geht – direkt von Oma und Opa, versteht sich. Den Link zur Vollpension Backademie findet ihr am Ende des Artikels. Obendrauf gibt es noch eine wohlfeile Rezeptsammlung auf der Webseite.
Vollpension Ambiente: Kitsch at its best
Die Zeitreise in vergangene Jahrzehnte kennt keine Grenzen – das Souterrain-Lokal in der Schleifmühlgasse ist ordentlich zu-geramscht. Zwischen Kitsch und Mehlspeisen schwingt charmante Selbstironie mit. Humor wird hier ebenso groß geschrieben wie Oma und Opas Backkunst.
Gleich neben Heidis Mama am Boden wacht ein großer Porzellanhund, der natürlich auch unsere Aufmerksamkeit sucht. An den Wänden hängen Setzkästen mit kleinen Figuren und viele Bilder – darauf zu sehen: Familien, Tiere, Blumen. Kindheitserinnerungen werden wach. Da gibt es diese Stickbilder, die wir damals selbst im Handarbeitsunterricht anfertigen mussten. Mein Talent hielt sich diesbezüglich in Grenzen, dafür war meine Oma umso besser darin. Dafür bekam ich (oder besser gesagt sie) sogar richtig gute Noten.
„Ich habe auch so viele Sachen daheim. Die Kinder sagen oft, dass ich etwas weggeben soll, aber da hängen so viele schöne Erinnerungen dran,“ verrät mir Heidis Mama mit einem verschmitzten Lächeln, als ihre Tochter kurz weg ist. In der Vollpension ist es genauso: Jedes Figürchen erzählt irgendjemandes Geschichte, genauso wie die Bilder, Lampen und alles, was sonst noch so herumsteht oder hängt.
Freilich haben auch die Omas und Opas in der Vollpension ihre Geschichten
Nicht einfach nur irgendein Kaffeehaus, sondern ein Ort, an dem man sich gegen Altersarmut und für Toleranz innerhalb verschiedener Generationen einsetzt – das ist die Vollpension. Sie gibt Seniorinnen und Senioren die Möglichkeit, sich neben der (oft schmalen) Pension etwas dazu zuverdienen, den Tag mit Freude zu füllen, im Kontakt mit anderen Menschen und in Bewegung zu bleiben – geistig wie körperlich.
Mein persönliches Fazit
Es kann hektisch und chaotisch zugehen, aber das ist völlig egal, denn über allem steht immer noch das Motto: „Gemeinsam back´ ma das.“ Die Gäste lieben die Vollpension, ihre Omas und Opas und natürlich auch die Jungspunde ohne die das tolle Projekt nicht möglich wäre. Dieses Generationen-Café ist der beste Beweis dafür, dass Jung und Junggebliebene bestens miteinander funktionieren können. Omas und Opas backen mit Liebe, plaudern mit den Gästen und unterstützen die jungen KollegInnen tatkräftig im Service. Hier machen alle das, was und wie sie es am besten können – mit viel Herz, Humor, Verständnis füreinander und der erforderlichen Geduld.
Ihr müsst es erlebt haben, um zu wissen, was ich meine. Also nix wie hin. Und nur der Vollständigkeit halber: Kuchen und Suppen sind einfach nur köstlich. Da sind wir uns alle einig: Heidi, ihre Mama und ich.
Adresse und Erreichbarkeit Vollpension
- Schleifmühlgasse 16, A–1040 Wien
- Öffnungszeiten: So-Do: 08:00 – 20:00, Fr, Sa, Feiertag: 08:00 – 22:00
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