Physical Distancing – MUNDSCHUTZ, Maskerade & Pöbeleien

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Physical Distancing Tagebuch. #STAYatHOME Tag 17. Montag, 1. April 2020 in Wien. Dieser Artikel spiegelt ausschließlich die persönlichen Eindrücke der Autorin wider.   

 

1. April 2020 – Die Maskerade beginnt und das ist kein Aprilscherz.

©eishofer Einkaufen mit Mund,- und Nasenschutz; Munschutzpflicht in Österreich; Covid19; Corronavirus

 

Gleich vorweg: Ich persönlich finde diese Maßnahme wichtig, weil sie dazu beitragen kann, andere zu schützen und meiner Wahrnehmung nach, sehen es viele so. Da noch nicht klar war, ob der Supermarkt bei mir um die Ecke schon Mund, – und Nasenschutz zur Verfügung stellt, habe ich vorerst selbst etwas gebastelt. Vor vielen Jahren war das mein Kälteschutz am Weg zum Skilift, heute gehe ich so einkaufen: Als ich mich im Aufzugspiegel sah, musste ich mich kurz selbst fragen, ob ich das wirklich bin. Leider war die Antwort ja. 

 

So sieht die neue Realität in Österreich aus. 

Tatsächlich stand in meinem Supermarkt bereits direkt beim Eingang ein Mitarbeiter, der den Kunden die Einwegmasken mit einer Zange reichte. Ein befremdliches Gefühl, denn selbstverständlich trug auch er den Schutz. 

Das Eigenartige daran ist, dass man keine Mimik erkennt, und die ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Kommunikation. Sie zeigt die Stimmung des Gegenübers und ob dir jemand gut oder weniger gut gesinnt ist. Der junge Herr am Eingang war auf jeden Fall sehr freundlich, obwohl er ein wenig peinlich berührt wirkte. Die Maske ist schnell ausgepackt und um die Ohren gespannt, wobei man auch hier einiges falsch machen kann. So soll man sie etwa nicht in der Mitte anfassen und sich auch sonst nicht ins Gesicht greifen. Leider bleibt das aber nicht aus, weil das Ding permanent verrutscht – zumindest bei mir. Was es zur Anwendung des Behelfsschutzes alles zu wissen gibt, musste ich im Vorfeld selbst recherchieren. Auf der Webseite des Sozialministeriums oder des Österreichischen Roten Kreuzes hatte ich vor meinem Einkauf noch nichts dazu gefunden, erwartet hätte ich es mir allerdings schon.

UPDATE: Mittlerweile konnte ich ein Video-Tutorial entdecken – den Link zum Youtube Kanal des Österreichischen Roten Kreuzes findet ihr am Ende des Artikels.

 

Der schmale Grat zwischen Verständnis und Missverständnis 

Der Sinn des Maskentragens ist mir grundsätzlich klar und hoffentlich auch vielen Mitmenschen.  Es dient nicht zum Selbstschutz, sondern soll andere vor Tröpfchen-Infektionen bewahren. Die Supermarkt-Kunden, die mir begegnet sind, schienen sich mit der Maßnahme gut zu arrangieren. Wobei man ja nicht den Gesichtsausdruck unter dem Mund, – und Nasenschutz erkennen kann, und so ließ das erste Missverständnis nicht lange auf sich warten. Vor dem Keksregal parkte sich eine Dame hinter mir ein und starrte mich an. Ich dachte mir, sie wäre ungehalten, weil sie eine Minute später mit Vollgas rechts an mir vorbei rauschte.

Später traf ich sie vor einem anderen Regal wieder und sagte zu ihr: „Eigenartig, wenn man die Mimik nicht sieht, aber ich lächle sie gerade an.“ Darauf hin meinte sie offensichtlich erleichtert: „Da bin ich aber froh, ich hatte vorhin den Eindruck, dass sie mich irgendwie böse anschauen.“
 
 
Mehr miteinander reden und Vorurteile ablegen
 
Natürlich habe ich nicht böse geschaut. Solche Situationen werden künftig wohl öfter vorkommen. Wir müssen nicht nur lernen, mit dem Fremdkörper in unserem Gesicht umzugehen, sondern auch neue Formen der Kommunikation entwickeln. Vor allem sollten wir Mitmenschen jetzt mit noch weniger Vorurteilen begegnen. Nur weil uns jemand ansieht, heißt das nichts Böses. Menschen haben sich immer schon angeschaut, nur ist es nicht so aufgefallen, weil das Gesicht in unseren Breitengraden meist nicht verdeckt war. Jetzt liegt der Fokus auf den Augen. 
 

Zwischen Sympathie und Pöbelei

Die Dame, die mir begegnet ist, zeichnete mit ihren Händen einen Smiley vor dem Mund und sagte: „Ich mache das jetzt immer so, wenn ich jemanden anlächle.“ Eine schöne Idee. Das werde ich ab sofort in meiner persönlichen Kommunikationsstrategie verankern.

Einen Gang weiter höre ich, wie eine andere Kundin einen Mann bittet, ein wenig Platz zu machen, damit sie vorbeigehen kann. Darauf hin der Mann wörtlich: „Ist eh genug Platz, du Schlampe“. Ja, er sagte Schlampe, und zwar in einem ziemlich aggressiven Ton.

Auch das kann der Mund, – und Nasenschutz mit sich bringen: Hemmungen fallen, weil sich Menschen unerkannt fühlen. Frust und Verbalattacken können schneller über die Lippen kommen und Gründe frustriert zu sein, gibt es dieser Tage viele. Solche Verhaltensweisen kennen wir bereits aus dem Internet. User, die sich hinter komischen Bildern verstecken, pöbeln sich einfacher durchs Netz, als wenn sie mit Klarnamen und echten Fotos auftreten. Natürlich ist das an dieser Stelle meine subjektive Wahrnehmung, aber als Social Media Managerin sind mir in den letzten Jahren viele solcher verbalen Ausfälle begegnet und damit bin ich nicht alleine.

Jetzt müssen wir sehr aufpassen, dass dieser Effekt nicht ins reale Leben überschwappt.

 

Psychologische Effekte dürfen nicht unterschätzt werden

Ich bin kein Psychologe, aber ich gehe aufmerksam durch die Welt und habe beruflich immer mit vielen unterschiedlichen Menschen zu tun gehabt. Der psychologische Effekt des Maskentragens wurde von der Regierung bereits thematisiert. Allerdings geht es dabei eher darum, dass sie helfen können, den unsichtbaren Feind (das Virus) in irgendeiner Weise sichtbar zu machen. An mir selbst kann ich beobachten, dass ich mich tatsächlich besser fühle, wenn andere in meiner Nähe einen Mund, – und Nasenschutz tragen. Vor allem, komme ich mir nicht mehr doof vor, wenn ich so ein Ding im Gesicht habe, wenn es alle machen. 

Was mich jedoch bedenklich stimmt, ist die fehlende Mimik und dass es Menschen leichter fallen kann, ihren Frust hinter einer Maske loszuwerden. Auch das sollte die Regierung, aber auch jeder einzelne von uns am Schirm haben.

 

Prävention muss beginnen, bevor etwas passiert

Ganz verhindern wird man Situationen wie jene im Supermarkt nicht können, aber wie sollen wir damit umgehen? 

Ich weiß es nicht, aber vielleicht könnten folgende Ansätze zur Prävention beitragen:

  • Online Deeskalations, – und Antiaggressionstrainings
  • spezielle Schulungen für Mitarbeiter in Betrieben, die in unmittelbaren Kontakt mit Menschen sind
  • und Handlungsempfehlungen für all jene, die aggressives Verhalten anderen gegenüber mitbekommen

An dieser Stelle möchte ich explizit erwähnen, dass sich die meisten Leute auch mit Maske normal benehmen, trotzdem müssen Strategien entwickelt werden, wie mit kritischen Situationen umgegangen werden kann.

 

Wie kam es zur Maskenpflicht in den österreichischen Supermärkten?

Vor 2 Tagen verkündete die Regierung, dass ab heute (1.4.2020) beim Einkaufen ein mechanischer Mund, – und Nasenschutz getragen werden muss. Dieser soll von den Supermärkten an die Kunden verteilt werden. Da mit Beschaffungsengpässen zu rechnen war, gilt das dort sofort, wo der Schutz auch zur Verfügung steht. Wirklich für alle verpflichtend ist es ab spätestens 6. April – dann darf niemand mehr „unmaskiert“ rein.
 
Da häufig die Frage auftaucht, ob selbst genähte Masken verwendet werden können, hat man sich bei der Formulierung der Maßnahme auf den Terminus „mechanischer Mund, – und Nasenschutz“ geeinigt.

Gesundheitsminister Rudi Anschober zeigte sich am 1. April in seiner Facebook-Sprechstunde höchst erfreut über die Initiative zahlreicher Menschen, die ihre Masken nun selbst herstellen und das gerne auch für andere tun. An dieser Stelle noch einmal wichtig zu erwähnen: Auch diese selbst hergestellten Kunstwerke entsprechen keinen medizinischen Standards. Sie werden ebenfalls zum Schutz von Mitmenschen getragen. 

Was die Einwegmasken aus dem Supermarkt anbelangt, greife ich vorerst wieder zu meiner selbst gemachten Variante zurück, die hält wenigstens gut und ich muss mir nicht dauern im Gesicht herumfummeln, um etwas gerade zu rücken. Dass ich damit wie eine Bankräuberin aussehe, muss ich wohl in Kauf nehmen.

 

Mein Appell an alle

Lasst uns den Sinn hinter dieser Maßnahme in den Vordergrund stellen. Begegnen wir uns weiterhin mit Höflichkeit und Respekt. Bleiben wir achtsam im Umgang miteinander und lassen wir uns nicht von jenen provozieren, die grundlos herum pöbeln. Das sind aus meiner Sicht wichtige Beiträge zur Prävention.

Und an die Bundesregierung: Mir ist klar, dass es viele Baustellen gibt, die derzeit bearbeitet werden müssen, aber die Idee des Maskentragens aus Gesundheitsgründen wurde nicht gerade heute erfunden. Dass wir uns erst daran gewöhnen müssen, ist auch keine große Überraschung. Wenn so ein Beschluss gefasst wird, gehören begleitende Maßnahmen dazu, denn es können heikle Situationen entstehen, mit denen wir Otto-Normalos schlichtweg überfordert sind und dann fragen wir uns wieder alle: Hätte man das nicht kommen sehen müssen?

Meine kleine Mitzi Meier-Sicht: Es ist nicht zu spät, an Hilfestellungen zu arbeiten.

 

Weiterführende Links:

 

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