7. Mai 2020
„Schau Jacki, da sitzt ein Vogel am Kopf!“ Gemeint ist die Taube am Haupt des Joseph Haydn Denkmal vor der Mariahilfer Kirche. „Mir wurscht,“ motzte der Bub, „komm jetzt Mama, wir müssen heim.“ Er zerrt am Arm der Frau, um sie vorwärts zu bewegen. Sie hingegen zückt sichtlich entspannt ihre Handy-Cam, um das Taubenschauspiel für die Ewigkeit festzuhalten.
Der Bub stampft in den Boden und stemmt demonstrativ seine Hände in die Hüften: „Ich bin wichtiger wie der blöde Kackvogel!“ Die Mutter beugt sich zu ihrem Sohn hinunter und entgegnet mit stoischer Ruhe: „Schau Jacki, jetzt weißt du, wie ich mich fühle, wenn du stundenlang mit deiner Playstation spielst und mich ignorierst.“
„Sag´s doch dem blöden Virus“, plärrt der Kleine, „ich kann nichts dafür, wenn ich nicht rausgehen darf!“
„Aber jetzt darfst du wieder raus und trotzdem hockst du lieber daheim. Wir müssen wieder lernen, wie es ist, ein paar Stunden ohne zocken auszukommen,“ erklärt die Mutter.
Ich stehe direkt daneben und musst schmunzeln.
Zum Glück trage ich eine Mund-Nasen-Bedeckung und bin perfekt getarnt. Wer hätte gedacht, dass ich jemals etwas Gutes an diesem Fetzen im Gesicht finden würde.
Haydn hingegen trägt es mit gewohnter Würde: Taube am Kopf, zorniges Kind und Menschen mit Masken, beinahe als wollte er sagen: „Es gibt Wichtigeres im Leben. Man denke nur an die Musik und die vielen anderen schönen Künste.“
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