1. Mai 2020 – Freiheit neu interpretiert

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Lockdown in Österreich Woche 7
Lockdown in Österreich Woche 7

 

Manche Bilder sagen mehr als 1000 Worte…⁣
 

1. Mai 2020 in Wien. Es ist nicht nur Tag der Arbeit, sondern auch der Tag, an dem die Ausgehbeschränkungen in Österreich aufgehoben werden. Hinter uns liegen 7 Wochen Lockdown. Jetzt soll das Land langsam wieder hochgefahren werden. Abstandsregel, mancherorts Maskenpflicht und andere Maßnahmen gelten noch. Aber heute wird erst einmal die neue Freiheit genossen und viele Städter zieht es in Naherholungsgebiete wie die Steinhofgründe im 16. Wiener Gemeindebezirk. Ich bin mit meiner Kamera unterwegs, um den Frühling einzufangen.

Die Polizei patrouilliert im Schritttempo innerhalb des Areals.

Eigentlich ist hier Fahrverbot, aber falls jemand auf den Mindestabstand vergisst, solle man die Leute daran erinnern. So ähnlich lautet die Begründung für die vermehrte Präsenz der Exekutive in Wien. Mich persönlich tangiert das wenig – andere scheinbar mehr. „Die tun nichts, aber ein bissl komisch ist es schon,“ ruft mir ein junger Mann aus der Ferne zu. Er sitzt mit Frau und Kind auf einer Picknickdecke und beobachtet akribisch das Geschehen rundherum. Mir wäre gar nicht in den Sinn gekommen, dass „die“ etwas tun könnten. 

 
Irgendwie habe ich den Eindruck,
dass dieser Tag für viele das Highlight der letzten Wochen ist. Es wird viel gelacht und geplaudert auf den Wiesen. Platz zum Abstandhalten ist genug und die Menschen scheinen sich Mühe zu geben, die Regeln einzuhalten. Eine junge Mutter spielt mit ihrer Tochter Federball und vor mir absolviert ein Typ sein Fitnessprogramm. Sehr motiviert allesamt. Familien sitzen weit voneinander entfernt. Die, die zusammen wohnen, teilen sich eine Decke. Wobei…wer sich mit wem eine Wohnung teilt, kann ich gar nicht wissen und außerdem geht es mich nichts an. 
 
Weiter drüben lassen 2 Buben ihre selbstgebastelten Drachen steigen. „Die haben sich schon so darauf gefreut“, erzählt mir die alleinerziehende Mutter. „Noch eine Woche daheim wäre zuviel für uns gewesen,“ fügt sie nachdenklich hinzu. Ins Einkaufszentrum würde sie sich vorerst noch nicht trauen: „Dieses Corona ist ja nicht weg, nur weil die Geschäfte wieder aufsperren und wenn ich krank werde, weiß ich nicht, was mit den Kindern ist.“
 
Gedanken wie diese begleiten derzeit viele Menschen. Andere wiederum überlegen sich, wie sie die wirtschaftlichen Scherben des Lockdowns wegkehren können. 
 
 
Es ist eben kein Frühlingstag wie jeder andere.
Umso mehr will man, all das für einen Nachmittag gut sein lassen. Nach 7 Wochen daheim hocken, bedeutet dieser 1. Mai endlich wieder länger rausgehen – ohne schlechtes Gewissen und ohne das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun. Keiner, der fragt, ob man eh einen der berüchtigten vier Gründe dafür hat, die uns in den letzten Wochen mantramäßig von der Regierung vorgebetet wurden. Da ist es auch völlig egal, ob ein Polizeiauto nebenher fährt. Und ganz ehrlich: „Die“ tun wirklich nichts außer ihren Job.
 
Auch wenn es sich eigenartig anfühlt: Abstandhalten ist nun einmal notwendig, um sich und andere zu schützen. Nicht weil es Politiker sagen, sondern weil wir es derzeit einfach nicht besser wissen. Was das Virus anbelangt, muss man eben den Erkenntnissen der Wissenschaftler vertrauen und die lernen selbst jeden Tag dazu. Da hilft es auch nichts, rauszuschreien, dass man sich nichts mehr sagen lassen will.
 
Dem Virus ist das völlig egal.
 
Beim Hochfahren der Wirtschaft sieht die Sache anders aus.
Da wäre rasches Handeln gefragt, statt dem Schwingen großer Reden. Ein 38 Milliarden Euro Hilfspaket klingt zwar großzügig, bei vielen Unternehmern ist aber immer noch nichts davon angekommen. Manche Branchen müssen weiter Berufsverbote hinnehmen und vielen Menschen fehlen die Zukunftsperspektiven. Was sich so gut wie alle Selbstständigen in der jetzigen Situation wünschen: weniger politische Selbstbeweihräucherung, mehr Praxisnähe statt Theorie und realistische Zeithorizonte. Das braucht es nämlich, um planen und entscheiden zu können, ob und wie es betrieblich weitergehen kann. 
 
Das war der 1. Mai 2020 ganz pragmatisch betrachtet. 
 
Emotional gesehen, war er aber auch voll Sonnenschein, Blütenduft, Frühlingsfarben, Leichtigkeit, Kinderlachen, lebendiger Gespräche aus der Entfernung, Wärme und Nähe – trotz physischer Distanz.
 
 
 
Dieser Artikel spiegelt ausschließlich die persönlichen Eindrücke der Autorin wider.   

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