Physical Distancing Tagebuch. Tag 30 #STAYatHOME, Dienstag, 14. April 2020 in Wien. Dieser Artikel spiegelt ausschließlich die persönlichen Eindrücke der Autorin wider.
Eine wunderbare Welle der Hilfsbereitschaft, wird derzeit durch die sozialen Medien gespült und die tut besonders in Zeiten von Lockdown und Covid 19 jedem gut. Viele Corona-Initiativen beginnen dieser Tage im virtuellen Raum, denn die reale Welt ist immer noch im Schlafmodus – auch wenn seit heute (14. April 2020) erste Lockerungen in Kraft treten. Andere Nebenerscheinungen der Krise hinterlassen hingegen einen ziemlich schalen Beigeschmack, aber davon weiter unten mehr. Widmen wir uns zuerst den Neuerungen am ersten Tag nach Ostern.
Tag 30 der Ausgangsbeschränkungen in Österreich
Ab sofort dürfen bestimmte Geschäfte wieder aufsperren und auch die Bundesgärten öffnen ihre Pforten wieder. Alles weiterhin mit strengen Auflagen wie mindestens 1 Meter Abstand zu anderen Personen, sowie Mund, – und Nasenbedeckung in Geschäften und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Außerdem sollten wir uns weiter an einen der folgenden vier Gründe halten, wenn wir die eigenen vier Wände verlassen:
✅ wenn man arbeiten geht
✅ wenn man einkaufen geht
✅ wenn man anderen Menschen hilft, weil sie es selbst nicht können.
✅ wenn man sich die Beine im Freien vertreten oder Sport betreiben möchte, allerdings nur alleine oder mit Mitbewohnern. Extremsportarten oder andere gefährliche Aktivitäten zählen freilich nicht dazu.
Dennoch gilt:
„So viel viel Freiheit wie möglich, so viel Einschränkung wie notwendig“, sagt Bundeskanzler Sebastian Kurz in einer Pressekonferenz.
Was im ersten Augenblick wie eine Mutmacher-Parole klingt, ist gleichzeitig eine Warnung, denn wenn die bisherigen Maßnahmen die gewünschte Wirkung nicht zeigen, ist eine wiederholte Schärfung jederzeit möglich. Alles zu den aktuellen Corona Maßnahmen der Regierung findet ihr auf der Webseite des Sozialministeriums. Die Infos werden regelmäßig upgedatet:
sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus
Die schönen Seiten der Krise
Menschen helfen sich gegenseitig. Unternehmen schnüren spezielle Angebote für krisengebeutelte Kunden. Umgekehrt rufen Kunden dazu auf, lokale und kleine Betriebe zu unterstützen. Neue Online-Plattformen werden gegründet, um sich gegenseitig zu supporten und in zahlreichen Facebook-Gruppen spricht man sich gegenseitig Mut zu. Restaurants und Hotels kochen für medizinisches Personal und Bedürftige. Freiwillige melden sich bei Hilfsorganisationen, um ihren Beitrag zu leisten. Mund, – und Nasenbedeckungen werden selbst genäht und man gibt sich Tipps, in Bezug auf Home-Schooling oder Kinderbetreuung.
All das kann sehr berührend sein.
„Es passiert viel Wunderbares,“ konnte ich Ostersonntag in einen Facebook-Post lesen und dann folgte eine Lobeshymne auf Regierungsarbeit, Hilfsbereitschaft und Solidarität. Viel Wahres ist dran, dennoch finde ich es, zu eindimensional betrachtet.
Zeit, die rosarote Brille abzunehmen
An dieser Stelle möchte ich nicht die Arbeit der Regierung bewerten, sondern das Verhalten der Menschen in den sozialen Netzwerken unter die Lupe nehmen. Manche werden grob beschimpft, weil sie nicht die Meinung der Allgemeinheit vertreten und die Allgemeinheit scheint in Österreich derzeit auf Regierungskurs zu sein. Natürlich poltert auch die andere Seite ordentlich durchs Netz und so entstehen hitzige Diskussion, die oft in Bosheiten und Beleidigungen enden. Alles der ganz normale Social Media Wahnsinn, möchte man meinen, schließlich gibt es solche Animositäten nicht erst seit Covid 19.
In Zusammenhang mit politischen und gesellschaftlichen Ereignissen kann das aber durchaus bedenkliche Ausmaße annehmen. Wenn eine große Masse andere Leute niederschreit, weil sie andere Sichtweisen in eine Diskussion einbringen, geht es um Meinungsfreiheit. Und wenn sich weitere User darin bestärkt fühlen, mitzuschreien, sind wir schnell in einem Mob, indem wir unter normalen Umständen vielleicht gar nicht sein wollen.
Nur der Vollständigkeit halber:
Die Rede ist nicht von einfachem Frust ablassen.
- Es geht darum, Leute nicht einfach als „deppat“ hinzustellen, die Fragen zu Meinungen, Thesen und möglichen Theorien von Experten stellen, die nicht dem Beraterstab einer Regierung angehören.
- Manche Menschen fragen sich, warum die einen zu Ostern ihren Zweitwohnsitz besuchen dürfen, die anderen hingegen nicht einmal in einen der Bundesgärten, die über die Feiertage geschlossen waren.
- Oder darum, ob die Verpflichtung zu allen Maßnahmen tatsächlich rechtlich gedeckt ist oder ob man hier nicht mehr auf Freiwilligkeit setzen müsste.
Solche Fragen werden nicht gestellt, weil jemand böse ist, sondern weil es die Menschen im täglichen Leben betrifft und sie müssen in einer Demokratie jederzeit möglich sein, ohne als Verschwörungstheoretiker, Querulant, Störenfried oder gar als Staatsfeind Nummer 1 geächtet zu werden.
Ein Mundschutz ist nun einmal kein Maulkorb.
Genauso wenig wie persönliche Beleidigungen im Internet nichts mit Meinungsfreiheit zu haben. Das gilt übrigens für alle Beteiligten, denn auch zu den Unmutsäußerungen in Bezug auf die Regierungsmaßnahmen gibt es oft Formulierungen in den sozialen Netzwerken, die absolut unnötig sind.
Sagt gerne eure Meinung, aber sagt sie mit Respekt!