Physical Distancing Tagebuch. STAYatHOME Tag 8. Montag, 23. März 2020.
Dieser Artikel spiegelt ausschließlich die persönlichen Eindrücke der Autorin wider.
Über idyllische Wanderungen, Ignoranz und wilde Corona Parties
Laut Facebook bin ich genau heute vor einem Jahr durch den Schwarzenbergpark spaziert, hinein in den Wienerwald und rauf zum Hameau. Der 23. März 2019 war ein Samstag. Die Sonne hat gelacht. Die Natur war gerade dabei, aus dem Winterschlaf zu erwachen. Radfahrer, Läufer und Familien nutzten den schönen Tag, um frische Luft zu schnappen.
Solche Spaziergänge und Wanderungen liebe ich. Der Duft des Bärlauchs liegt in der Luft, die ersten Blumen blühen und das Zwitschern der Vögel begleitet mich auf meinem Weg. Nicht zu vergessen die tollen Gespräche mit Babsi, Dani, Chris oder Menschen, die mir einfach so begegnen und ihre Geschichten erzählen.
Wandersleute sind einfach freundlich. Die grüßen sich sogar am Stadtrand von Wien und ein Lächeln haben sie auch immer parat. Kein Wunder also, dass ich so gerne draußen unterwegs bin. Ein Freund sagte einmal zu mir:
“ Ich möchte nicht wissen, was los ist, wenn du mal keinen Auslauf bekommst.“
Heute kann ich ihm eine Antwort darauf geben. Denn ich sitze – wie viele andere Menschen auch – seit über einer Woche daheim in meinen eigenen vier Wänden, um dem Coronavirus nicht persönlich zu begegnen. Die Botschaft der österreichischen Regierung ist deutlich: Nur wenn wir alle unsere sozialen Kontakte einschränken, so gut es geht und mindestens einen Meter Abstand von anderen Menschen halten, kann die Ausbreitung verlangsamt werden. Das wiederum ist notwendig, damit unser Gesundheitssystem nicht irgendwann kollabiert. Diese Argumentation finde ich persönlich durchaus schlüssig, was man allerdings nicht von jedem behaupten kann.
Zwischen Solidarität und Unkenrufen
Kritiker sprechen von Panikmache und dass die Verantwortlichen die Wirtschaft einfach so an die Wand fahren würden. An der Grippe wären schon viel mehr Menschen gestorben, heißt es immer wieder. Andere wiederum meinen, dass viel zu spät gehandelt wurde.
Hinzu kommen Engpässe bei Schutzkleidung und Masken für medizinisches Personal. Es gäbe viel zu wenig Tests, um aussagekräftige Erkenntnisse zu gewinnen und die Corona-Hotline wäre meist überlastet.
Kanzler und Minister sind indessen weiterhin um gute Stimmung in der Bevölkerung bemüht und loben, dass die meisten Mitbürgerinnen und Mitbürger die Maßnahmen der Bundesregierung sehr gut mittragen würden.
Aber eben nicht alle. Während sich die Einen an die Vorgaben halten, die Anderen kritisieren, feiern die Unverbesserlichen weiter ihre verbotenen Corona-Parties.
Verwirrung, Unverständnis oder Ignoranz?
Täglich übt die Regierungsriege den Spagat zwischen Empfehlungen für solidarisches Verhalten und verpflichtenden Maßnahmen. Sport oder Beine vertreten im Freien sind derzeit (noch) erlaubt. Trotzdem lese ich in den sozialen Medien immer wieder, wie sich Leute über Rudel-Bildungen zwischen Menschen aufregen, die scheinbar nicht gemeinsam in einem Haushalt leben, was wiederum verboten ist. Bei den Ertappten herrscht eine Mischung aus Verwirrung, Unverständnis und Ignoranz.
Hier noch einmal die derzeitig gültige Verordnung (Stand 23. März 2020):
Corona Parties und Spuckattacken
Dann gibt es noch diejenigen, die schlichtweg auf alles pfeifen. So mussten auch am letzten Wochenende wieder Corona-Parties aufgelöst werden. Ein Polizeisprecher berichtete in einem Puls24-Interview, dass diese Auflösungen großteils gut verlaufen würden.
Es hätte aber auch schon Zwischenfälle in Bezug auf Corona gegeben. So sollen Personen herum gespuckt und behauptet haben, sie wären infiziert. Der Sprecher betonte allerdings, dass es sich dabei um Einzelfälle handeln würde.
Dazu ein Artikel auf wien.orf.at
Ganz ehrlich, geht´s eigentlich noch?
Man mag zu den Maßnahmen von Kanzler & Co stehen wie man will, aber wir sitzen nun einmal alle im selben Boot und in so einem Boot ist noch keiner von uns gesessen – kein Arzt, kein Politiker, kein Staatschef, kein Forscher und kein anderer Mitmensch. Diese Situation kennt keiner von uns. Wir müssen neue Wege finden, jeden Tag dazu lernen, uns umorientieren und sortieren, ob wir wollen oder nicht.
Was ich persönlich aber auf jedem Fall möglichst bald wieder möchte, ist im Freien spazieren gehen ohne das Gefühl zu haben, etwas Verbotenes zu tun. Ganz normal durch die Stadt flanieren und echten Menschen begegnen. Mit Freunden am Naschmarkt sitzen und eine Melange trinken. Das und noch viel mehr will ich.
Und was willst du?
Was auch immer es ist – um dort hinzukommen wird uns allen nichts anderes übrig bleiben, als die Lebenseinschränkungen vorerst mitzutragen und das Beste daraus zu machen. Eine andere sinnvolle Option scheint es derzeit nicht zu geben. Wer allerdings einen besserer Plan mit Wirksamkeitsgarantie hat, kann diesen jederzeit gerne auf den Tisch legen.